Frankfurt – German quality daily Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung on ESI's policy proposal for the refugee crisis in the Central Mediterranean: "ESI plan for Italy and Africa might work"

4 July 2017
Refugee boat. Photo: flickr/Sea-Watch Org
Refugee boat. Photo: flickr/Sea-Watch Org

The German daily Frankfurter Allgemeine Zeitung wrote about ESI's policy proposal for the refugee crises in the Central Mediterranean saying that "it might work".

Frankfurter Allgemeine Zeitung, Ralph Bollmann, "Die große Angst vor Afrika" ("The great fear of Africa") (4 July 2017)

"Gerald Knaus, der mit seinem Thinkthank "European Stability Initiative" schon das Türkei-Abkommen erfand, hat deshalb auch für Afrika eine andere Lösung ersonnen. Er ist nicht dagegen, dass die zwanzig wichtigsten Wirtschaftsnationen der Welt die afrikanische Wirtschaft fördern, ganz im Gegenteil. Aber er glaubt nicht, dass damit das Flüchtlingselend auf dem Mittelmeer verschwindet, sowieso nicht auf kurze, aber auch nicht auf lange Sicht.

Und natürlich glaubt auch Knaus in Afrika nicht an einen Deal mit Transitländern wie im Fall der Türkei, weil es in Libyen einen handlungsfähigen Staat auf absehbare Zeit nicht geben wird und ein Land wie Niger, wo sich die Flüchtlinge aus halb Westafrika auf ihrem Weg nach Norden sammeln, am Status quo einfach zu gut verdient – da kann die deutsche Kanzlerin, die das Land im vorigen Herbst besucht hat, noch so eine rege Reisediplomatie entwickeln. Das ist anders als an der Ägäis, wo ein paar Schlepperboote im Vergleich zur Wirtschaftskraft von Izmir oder Istanbul nicht sonderlich ins Gewicht fallen.

Gleichzeitige Abgrenzung und Offenheit

Knaus hat eine andere Idee, und sie lautet: Die Europäer müssen in diesem Fall nicht mit den Transitländern reden, wie es Merkel zuletzt versuchte, sondern mit den Herkunftsländern. Schließlich handelt es sich, anders als bei Syrien, dem Irak oder Afghanistan, überwiegend um stabile Staaten. Der Vorschlag beruht auf Abgrenzung und Offenheit gleichermaßen. Er wird, wie der Türkei-Deal, Flüchtlingsfreunde und Flüchtlingsfeinde gleichermaßen empören. Aber er könnte funktionieren.

Die Abgrenzungskomponente sieht so aus: Mit Unterstützung der Europäischen Union etabliert Italien ein System von schnellen Asylentscheidungen, die nach dem Vorbild der Niederlande innerhalb von wenigen Wochen durchgezogen werden, aber trotzdem den rechtsstaatlichen Ansprüchen genügen. Wer keinen Schutzstatus bekommt, wird von einem bestimmten Stichtag an umgehend zurückgeschickt. Der Stichtag ist wichtig, um den Herkunftsländern die Sorge vor einer Rückkehrwelle zu nehmen. Und auf das Wort "umgehend" kommt es an, weil sich eine Abschiebung nach jahrelangem Aufenthalt nahezu überall als undurchführbar erwiesen hat, nicht nur in Deutschland.

Quoten nach amerikanischem Vorbild

Umgekehrt werden sich die Herkunftsländer darauf nur einlassen, wenn ihnen die Europäer auch etwas anbieten. Dieses Angebot kann für Knaus nur in einem System legaler Wirtschaftsmigration bestehen. Nicht die schiere Zahl von rund 200.000 Einwanderern pro Jahr ist demnach für die Europäische Union mit ihren 500 Millionen Einwohnern das Problem, sondern die chaotische Art und Weise, wie sie kommen – und weit überwiegend von einem einzigen Mitgliedstaat, Italien, betreut werden müssen. Jährliche Quoten für jedes afrikanische Land schlägt Knaus vor, ein System zur Verteilung auf alle EU-Staaten und am besten ein Losverfahren zur Auswahl unter den möglichen Bewerbern.

Abgekupfert hat er das von einem Vorbild, das hierzulande kaum jemand kennt. Auch die Vereinigten Staaten hatten früher ein großes Problem mit Bootsflüchtlingen, die in diesem Fall aus dem kommunistischen Kuba kamen. Zuerst setzte die Regierung in Washington auf ein Prinzip, das in Europa unter dem Stichwort "Auffanglager in Nordafrika" bekannt ist: Sie setzte die Schiffbrüchigen erst einmal in Guantánamo fest, der amerikanischen Militärbasis auf Kuba. Aber es war klar, dass das keine Lösung auf Dauer sein konnte. Die Flüchtlinge kamen weiterhin, weil sie hofften, die Amerikaner würden sie irgendwann doch ins eigentliche Territorium der Vereinigten Staaten einreisen lassen.

Dann schloss der amerikanische Präsident Bill Clinton mit dem kubanischen Revolutionsführer Fidel Castro ein Abkommen jenseits aller ideologischen Gräben. Es sah dieselben Prinzipien vor, die dem Regierungsberater Knaus jetzt auch fürs Mittelmeer vorschweben: Kuba nahm seine Staatsbürger fortan zurück, der große Nachbar im Norden öffnete einen Korridor für legale Einwanderung. Von Schiffbrüchigen zwischen Kuba und Florida hat man seither kaum noch etwas gehört."

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